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Projekt Pusteblume und die Sache mit den Wörtern

Wortfabrik im TAK - ein Stück das unter die Haut geht und fasziniert
18. März 2016
 
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„Es wird schön! O Gott, ist mir schlecht!“ Regisseurin Tanja Emmerich ist vor der Premiere die Aufregung deutlich anzumerken. Einer letzten Feinabstimmung mit der Technik, Benjamin Zeidler und André Wolf, folgte das Warming-up zur Förderung von Konzentration und Aussprache. Das ist wichtig, auch wenn die Reise in ein Land ohne Worte geht. Das Dilsberger Theater am Kamin - TAK, genießt inzwischen längst den Ruf für besondere Auftritte in privater Atmosphäre. Dieses Mal begrüßten die Gastgeber, Yvonne und Axel Bedbur, in ihrem Wohnzimmer zu einem außergewöhnlichen Theaterprojekt mit den BB-Kidz der Burgbühne Dilsberg.
 
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Das „Projekt Pusteblume“ gründete die 28-jährige Jugendregisseurin im September 2015 als Schwerpunktthema ihrer zweijährigen Ausbildung zur Theaterpädagogin an der Theaterwerkstatt Heidelberg. Zusammen mit 14 Schauspielern der BB-Kidz, im Alter von 12 bis 22 Jahren, wurde ein Theaterstück nach der Vorlage des Kinderbuchs „Im Land der großen Wörterfabrik“ von Agnés L. selbstständig erarbeitet. Die Akteure entwickelten aus dem Grundgerüst ihre eigene Geschichte, überlegten sich wie es dazu kommen kann, dass Menschen ihre Sprache verlieren und wurden zu Autoren ihres eigenen Stückes. Heraus kamen einfühlsame Geschichten, die nachdenklich stimmen und bewegen.
 
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Die Wirkung der Worte verdeutlicht Raya Neumann in einem tiefgründigen Opening. Leise treten die Schauspieler auf, bewegen sich durch die Zuschauer und murmeln immer wieder einen Satz: „Stell dir mal vor, jedes Wort das du sprichst kostet Geld!“
  
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Die Moderatoren (Felix Bidmon und Valerie Maurer) erklären dem Publikum, dass es die Welt die es kennt nicht mehr gibt und stellen bedrückend das Land der Wörterfabrik vor.
 
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Der Wortwächter (Vincent Ochs) erzählt wie grau, trostlos und vor allem wie still die Welt geworden ist. Einen Einblick wie es so weit kommen konnte gab die Geschichte von Marlene Hänggi. Ihre Oma konnte als Kind frei sprechen, dann wollten Ärzte die Menschen gleichstimmen und da sie Gehörlose nicht heilen konnten, raubten sie allen ihre Stimme. Vorhandene Wörter wurden vergraben und bewacht. Es bildete sich eine Gruppe, die die Kisten befreite, doch die Freude währte nicht lange, denn ein böser Mann beschloss mit den Wörtern Geld zu verdienen und seitdem gibt es die Wörterfabrik.
 
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Für Felix Bidmon begann alles mit der Erfindung und Publizität des Smartphones. Um über jemanden etwas zu erfahren musste man sich nicht mehr unterhalten. Gespräche wurden immer seltener und irgendwann kam es, wie es kommen musste, denn wie sollen Menschen die selbst kaum sprechen ihren Kindern das Sprechen beibringen? Diese Kontroverse brachte einen Geschäftsmann auf eine Idee, er eröffnete die Wörterfabrik: ein Wort kaufen, konsumieren und einmal aussprechen. Warum auch immer, die Bevölkerung glaubte diesen Irrsinn.
 
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Die Welt war für Raya Neumann in Ordnung, so lange jeder sagen konnte was er dachte und munter drauf los plapperte. Doch das war einmal, jetzt sitzt man schweigend am Tisch und lauft stumm nebeneinander her. Irgendwie ist alles so traurig und leer. Und das alles nur weil die Leute ganz oben Geld machen wollen, sogar mit Wörtern.
 
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Als wäre es gestern gewesen, erinnert sich Simon Winter an die Nachricht von einer neuartigen Krankheit, die sich wie eine Epidemie ausbreitete. Einer nach dem anderen verlor seine Sprache. Panik machte sich breit und legte sich erst als bekannt wurde, dass die Pharmaindustrie vielleicht ein Heilmittel gefunden hat.
 
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Es dauerte eine Weile bis das Mittel auf den Markt kam - essbare Wörter, die man kaufen musste. Nach erfolgreichen Test baute man eine riesige Wörterfabrik. Zu Fragen über die Entstehung gab es keine Antworten, aber viele meinten die Pharmaindustrie stecke dahinter, habe den Menschen ihre Fähigkeit zu sprechen geraubt, um damit Geld zu verdienen.
 
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Ein dumpfer Knall, ein Schleier vor Augen, ein Dröhnen im Kopf, so beginnt die Geschichte von Katrin Rümmelin. Ein Kind schreit, Gedanken an den Vater, er war Soldat. Es war sein Traum und sie wollte ihn nicht daran hindern. Die Mutter tröstet ihr Kind, das immer lauter schreit und findet keine Worte. Die Stimmbänder blockieren - Verzweiflung, Angst, Tränen. Sie schaut aus dem Fenster und sieht verzweifelte Menschen denen es ebenso geht. Verlorene Worte. Mut fassen. Ich schaffe das.
 
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Eindrucksvoll zeigt das Hauptstück, in dem sich die Menschen Worte kaufen müssen, dass sich Reiche mehr leisten können als Arme und dementsprechend flüssiger sprechen. Paul (Nils Weitzell) verliebt sich in Marie (Julie Guesdon), doch sein Gegenspieler Oskar (Felix Gaa) hat mehr Worte.
 
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Es gibt so vieles was er ihr gern sagen würde, doch dafür bräuchte er ein Vermögen. Marie spürt dennoch, dass Paul sie mag und gibt ihm einen Kuss. Da traut er sich und sagt ein einziges Wort, das er bisher wie einen Schatz gehütet hat: „Nochmal!“
 
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Für das Ensemble war es ein interessantes Projekt. „Zu sehen, wie durch aktives Mitschreiben sowie Improvisation bei den Proben und sinnvolles Zusammensetzen ein eigenes Stück entstand.“, wie Simon Winter erzählte. Dem pflichtete Felix Bidmon bei: „Wir sollten uns vorstellen, wie ein Land ohne Worte entsteht und aus dieser Vorstellung formte sich unser Stück.“
 
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Die eigene Geschichte abzugeben und zu erleben was die Gruppe daraus macht, fand das komplette Team spannend. Erstmals kombinierte man Theater mit Filmsequenzen, die von Benjamin Zeidler mit Unterstützung von Markus Gaa und André Wolf gedreht und in Einspielungen dem Publikum gezeigt wurden. Eine Erfahrung die Vincent Ochs beschrieb: „Das Drehen war etwas anderes, viel perfektionistischer. Da geht man genauer ran und wiederholt die Szenen bis sie perfekt im Kasten sind.“
 
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Ein Experiment das den BB-Kidz einiges abverlangte, aber auch ihr großes Potential bestätigte. Bei den Proben entstand eine Gruppendynamik und die Regisseurin bemerkte: „Wie in einer großen Familie durfte man manchmal nichts mehr sagen!“ Das Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit begeisterte alle: „Es war sehr geil!“
 
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Das Projekt ermöglichte den Jugendlichen etwas Eigenes zu schaffen und zu präsentieren, auf das sie zu Recht stolz sein dürfen. Am Morgen vor der Premiere bewegte Eva Rümmelin ein Gedanke: „Das ist unser Stück!“ Und das konnten die Zuschauer spüren, die Wortfabrik regte mit ausdruckstarken Schauspielern zum Nachdenken an und ging unter die Haut.
 
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Artikel 5 Grundgesetz (1):  Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
 
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Felix Bidmon, Felix Gaa, Julie Guesdon, Marlene Hänggi, Florian Lindekugel, Valerie Maurer, Raya Neumann, Vincent Ochs, Eva Rümmelin, Katrin Rümmelin, Elly Seemann, Saskia Seufert, Nils Weitzell, Simon Winter  

Regie:
Tanja Emmerich  

Technik:
Benjamin Zeidler, André Wolf, Markus Gaa

Text: boe
Bilder: bz
© www.dilsberg.de 19.03.2016
  
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