v.l.n.r: Karl Müller mit Ehefrau und Familienangehörigen |
Das zweite Spieljahr "Die Rose von Dilsberg" 1911
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Bruno Hermann Hottenroth verbrachte die Winterperiode 1910/11 nicht in Müßigkeit! Im Gegenteil. Vom Erfolg des Vorjahrs beflügelt, bereitete er für die kommende Spielzeit - außer der "Rose von Dilsberg" - zwei neue Stücke vor. Neun Aufführungen plante er für das erste Spiel. Auch hier verarbeitete er einen historischen Stoff: "Das Frühlingsopfer". Diese Erzählung behandelte eine Liebesgeschichte zwischen einem römischen Besatzungslegionär und einer einheimischen Germanin. Das zweite Volksspiel im Sommer 1911, mit ebenso vielen Vorstellungen und in überarbeitetem Zustand, betraf die "Rose von Dilsberg". Der Text war gestrafft und die Musikpartituren geändert worden. Für das dritte Stück "Unter der harten Hand" (eine Begebenheit aus dem Orléanischen Krieg) waren insgesamt zehn Aufführungen vorgesehen. Auch in diesem Spieljahr bemühte sich der Dichter Hottenroth vergebens, die Badische Landeshoheit zu den Spielen auf der Feste einzuladen. Wie schon ein Jahr zuvor, erhielt er eine enttäuschende Absage: "Zu Händen des Herrn Lehrers Albert Geier in Dilsberg, erwidern wir auf die Vorstellung vom 25. Mai ... ergebenst, dass Seine Königliche Hoheit der Großherzog bedaure, Höchstseiner Anwesenheit zu der Eröffnungsvorstellung der Volksspiele nicht in Aussicht stellen zu können." Dennoch, die Vorbereitungen für die neuen Spielesaison in Dilsberg liefen bereits auf Hochtouren. In einer Auflage von 20.000 Stück gedruckter Plakate kündeten, nicht nur im Neckartal, von dem regionalen Ereignis. Da lasen die "Rosebegeisterten" außer den Aufführungsdaten z.B., dass sämtliche Kostüme, Rüstungen, Waffen, Requisiten, Pferdedekorationen und Sättel von der Firma Diringer, Hoflieferanten, München geliefert wurden; staunend liest man von überregionalen Verkaufsstellen der Karten: Berlin, Cöln a. Rh., Frankfurt a. M., London. Nicht nur diese drei Volksstücke hatte der Dichter Hottenroth über den Winter geschrieben und bearbeitet. Eine Erzählung "Der Klosterbruder von St. Michael" gab er außerdem in Buchform heraus. Das (damalige) Heidelberger Tageblatt traf in einem Zeitungsbericht den Kern von Hottenroths Arbeiten: "Das Bestreben Hottenroths, historische Stoffe aus dem engeren Vaterland in dramatischer Form volkstümlich zu behandeln, ist von seiner 'Rose von Dilsberg', die als Volksspiel am Schauplatz der Handlung zur Aufführung kam, her bekannt." Der Schauspieler und Dichter Bruno Hermann Hottenroth hatte sich anspruchsvolle Geschäftspapiere zugelegt. Ein Briefkopf zeigt uns, wie er um Ansehen seiner Person bemüht war: "Hottenroth, großh(erzoglicher) bad(ischer) Konz(ert) Theaterdirektor". Sämtliche "Wert- und Einschreibungen, Briefe und Telegramme" waren zu adressieren an das "Sekretariat der Volksspiele" auf dem Dilsberg. Über diese Aufführungen gab es verschiedenes zu kaufen: Textbücher von jedem Spiel; offizielle Ansichtskarten (drei Serien á sechs Stück) und einen Führer "Dilsberg und seine Geschichte, mit Anhang, Wanderungen durch das Neckartal". |
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Die Uraufführung "Das Frühlingopfer" 1911 |
Die Uraufführung "Das Frühlingopfer" fand am 14. Mai 1911 in Dilsberg statt. Auch mit diesem Stück hatte Hottenroth und seine Mitarbeiter viel Erfolg. Die beiden Volksspiele hatten einen enormen Zulauf aus der ganzen Region. Eine "lustige" Berichterstattung nach dieser Vorstellung sollte noch erwähnt werden (Heidelberger Tageblatt vom 15. Mai 1911): "... und die 'Dilsberger Germanen' und 'Germaninnen' konnten sich im schönsten Schmucke zeigen. Aber ist es nötig, daß sie vor Beginn der Vorstellung im vollen Bären-Waffenschmuck als Programmverkäufer mit der Zigarre im Munde beschäftigt werden?" Die Vorstellungen nahmen ihren Lauf, die Spielsaison 1911 war damit eröffnet. |
Nach einigen Aufführungen im Mai gab es einen unangenehmen Zwischenfall in Dilsberg, woraufhin ein lebhafter Schriftwechsel zwischen Domänenamt und dem "Sekretariat der Volksspiele" einsetzte. Gerade hatte die Aufführung begonnen, da erlaubte der örtliche "Schlossaufseher" etlichen Wanderern noch (gegen Bezahlung) den Besuch von Burg, Wehrmauer und Turm. Diese sogenannten "Freiberger" (Originalakte) störten durch "unliebsame Redensarten" oben auf der Wehrmauer erheblich den Spielfluss! Und ausgerechnet in einer Aufführung, als "im Auftrage des Heidelberger Stadtrates sich mehrere Stadträte eingefunden hatten, um zu prüfen, ob mein Unternehmen von Seiten der Stadt Heidelberg unterstützungswert sei oder nicht." Gegen solche Gepflogenheiten verwahrte sich Hottenroth mit Nachdruck! Ziemlich schnell konnten diese unangenehmen Begleiterscheinungen gütlich beigelegt werden. |
"Das Frühlingopfer" 1911 - Postkarten 1911 (Postkartenverlag "Hepp" Manheim) |
Mit anderen Störungen dagegen, diese allerdings natürlicher Art, musste man sich weiterhin auseinandersetzen (und sich damit abfinden). So hieß es u.a. nach der Uraufführung "Das Frühlingopfer": "Einmal sagte Ildiko, die Heldin des Stückes: ,Wie wehmütig klagt die Nachtigall im Gebüsch' - da gackerte zwei Meter entfernt hinter dem Gitter ein Huhn, sich des lieblichen Sonnenscheins freuend. Aber die Freude ob des schönen Wetters wurde bald zu schanden. Denn der Himmel verfinsterte sich plötzlich, trotz des herrlichen Maientags in deutschen Gauen ... Ungetüme tauchten auf: die Regenschirme. Da mögen seitdem viele Jahren vergangen sein, diese natürlichen Allerweltsprobleme gibt es auch noch heute! |
"Das Frühlingopfer" 1911 - Postkarten 1911 (Postkartenverlag "Hepp" Manheim) |
Nach den gelungenen Aufführungen des Germanenspiels "Das Frühlingsopfer" folgten nun die vorgesehenen neun Vorstellungen der "Rose von Dilsberg". Die letzte Aufführung der "Rose" 1911 war am 9. Juli. Drei Tage später sollte dann das dritte Stück "Unter der harten Hand" gespielt werden. So war es geplant, doch es kam anders. Schon während einiger Aufführungen fanden mehr als einmal Rollenumbesetzungen statt, die aber dem Spielablauf keinen Abbruch getan hatten. Laut den Zeitungskritiken waren diese vom künstlerischen Standpunkt aus sogar optimal gelöst worden. Aber es gab Unklarheiten und andere Schwierigkeiten. Kein Wunder bei so einem Massenaufgebot an Akteuren! Dennoch, Erfolge beflügeln, und das freute nicht nur die Schauspieler. Viele Stimmen wurden laut, die "Rose"-Aufführungen zu verlängern. Laut Spielplan aber sollte nun das dritte Stück (ab 12. Juli 1911) aufgeführt werden. Irgendetwas klappte damals nicht. Kein Zeitungsbericht meldet darüber ein Sterbenswörtchen, nirgends kann man entnehmen, ob es tatsächlich zu einer Aufführung von "Unter der harten Hand" kam. Wiederholungen bzw. Verlängerungen der "Rose"-Aufführung fanden nach diesen Anfragen statt. Und unvorhergesehen, an zwei Nachmittagen (26. und 30. Juli) führte man Friedrich Schillers "Die Räuber", auf - laut zweier Anzeigen - für die Freilichtbühne eingerichtet von Direktor B. H. Hottenroth. Ob es tatsächlich zu einer Aufführung kam? Hierüber schweigen die Akten. Mit sämtlichen Aufführungen der alten Sage "Die Rose von Dilsberg" indes hatte Hottenroth aber solchen Erfolg, dass sogar von einer festen Abmachung die Rede war, er war für drei Monate nach Milwaukee, im Staat Wisconsin, USA, verpflichtet worden. Dort sollte er die "Die Rose von Dilsberg", "Frühlingsopfer" und "Unter der harten Hand" aufführen, mit Hilfe und für die dort ansässige 50.000 Personen zählende deutsche Kolonie! Es war sogar die Rede von einem Nachbau der Dilsberger Burg bzw. Wehrmauer als Kulisse und von 1000 Komparsen: "Nach vereinbarten Bestimmungen wird demnach Herr Hottenroth in den Monaten Mai-September 1912 in genannter Stadt mit einer Komparserie von etwa 1000 Personen diese drei Werke abwechselnd zur Aufführung bringen und die darstellenden Solokräfte für diesen Zweck eigens engagieren. - Für die "Rose von Dilsberg" soll das Burggemäuer nach dem Vorbild der Dilsberger Ruine extra aufgeführt werden, und zwar in einem Riesenpark, welcher von alten Felssteingruppen unterbrochen ist." Ob diese Reise und die Aufführungen in Amerika zustande kamen? Nachforschungen erbrachten - bis heute - noch keine Ergebnisse. Text: Frans Hermans 2000 Bilder: Archiv Frans Hermans |
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